Donnerstag, 26. März 2015

Reisebericht: Jeddah II


Ich war in Saudi Arabien und habe dort einen Urban Knitting-Kurs gegeben. Den ersten Teil meines Reiseberichts könnt ihr nachlesen - es wird noch ein dritter folgen. Bilder von den Kursergebnissen gibt es bei Tumblr.

Hättet ihr gedacht, dass es saudische Frauen mit Kopftuch gibt, die blaue oder (am nächsten Tag) lila Haare haben? Ich musste immer ein bisschen grinsen, wenn ich an Leute in Deutschland denken, die sich schon für viel weniger sehr subversiv und alternativ vorkommen. Die Studentin erzählte mir von den Kämpfen mit ihrer Mutter wegen ihrer Haare und dass viele sie doof finden, weil sie sich nicht um die Meinung anderer schert.
Eine andere Studentin, die die mit Abstand kleinste, aber auch lauteste und eine der ehrgeizigsten war, überraschte uns alle mit ihrer spontanen Rap-Einlage. Die hat echt was drauf! und außerdem hatten die Studentinnen den Soundtrack von diesem grausigen 50 Shades-Film auf ihren Handys. Das fand ich ziemlich ungewöhnlich. 

Auf der Straße tragen alle Frauen Abaya und sind teils verschleiert, unter sich wird das alles erst mal abgelegt und ich hatte das Gefühl, dass so an der DAH eine besondere Intimität entstand.
Insgesamt war der Umgang der Studentinnen und Professorinnen untereinander sehr herzlich. Die Professorinnen sprachen sich viel mit „my dear“ und „sweetheart“ an und wir erzählten uns recht schnell private Dinge – eine Arbeitsatmosphäre, die ich mir so in Deutschland nicht vorstellen kann. Die Studentinnen betonten auch immer wieder, wie sehr sie ihre Lehrerinnen lieben.
Bei mir hat sich sehr schnell so ein Gefühl eingestellt, dass das nun "my girls" sind. Ich war zwischendurch immer mal wieder sehr berührt und musste ein paar Tränchen verstecken. Die Mädels waren so bad ass!

Am letzten Tag wurden Vorträge gehalten und es gab auch eine Podiumsdiskussion, bei der es nur männliche Gäste gab (eine Frau moderierte, eine andere übersetzte). Es ging unter anderem um eine Debatte zwischen Thierry Mauger und saudischen Architekten/Künstler, die nicht glauben wollten, dass die bunten Häuser in der Region Asir von den dort lebenden Frauen bemalt wurden. Mauger sagte dann auf dem Podium, dass er stolz auf die Frauen sei, dass andere ihnen die Bemalungen nicht zutrauten - das spreche ja nur für deren Schönheit. Die Studentinnen im Hörsaal sind ausgeflippt! Die haben spontan geklatscht und gejubelt und als seine Aussage übersetzt wurde, gleich nochmal. Ich saß bei den Professorinnen und die drehten sich ganz überrascht und angetan um. Im Nachhinein hörte ich, dass die Studentinnen sich bei ihren Professorinnen beschwerten, dass solche Männer auf ihren Campus eingeladen worden seien. Sie wollten Mauger gerne eine E-Mail schreiben und sich dafür entschuldigen, dass die saudischen Männer so schlecht mit ihm umgegangen seien. Das ist den jungen Frauen richtig an die Ehre gegangen, dass wenn schon Männer auf ihrem Campus sind, die sich nicht ordentlich genug gegenüber Gästen benehmen können. Ich bin immer noch schwer begeistert und gerührt, wenn ich daran denke.

Für mich war das Spannendste an der Reise auf jeden Fall, mit so vielen beeindruckenden Frauen sprechen und von ihren Leben erfahren zu können. Zum Glück bringt das Stricken es mit sich, dass nebenher geredet werden kann. Ich mochte es, dass wir alle gegenseitig sehr neugierig waren, wie die jeweils andere so lebt und dass wir so viele Gemeinsamkeiten entdeckten – etwas, das weniger mich als vermutlich vielmehr die Menschen in meinem Umfeld überraschte. Mit einer der Professorinnen habe ich zurück in Deutschland gleich Mails geschrieben, eine Studentin schrieb mich via Facebook an. Meine Co-Lehrerin hat mir am letzten Tag ein wunderbares Abschiedsgeschenk überreicht und mich eingeladen, sie mal in Indien zu besuchen.

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